Thema: Generationswechsel

Der Jugend ihren Lauf

Mit den Betriebsratswahlen 2022 erleben unsere Gremien in den Betrieben einen Generationswechsel. Mit welchen Hoffnungen, Erwartungen, Zielen treten frisch in den Betriebsrat gewählte Neulinge ihr Amt an? Leo Kölzer fragte nach.


„Gemeinsam kann man alles schaffen“

Luana Fattizzo (27), wohnt in Hanau, Chemie­laborantin bei Evonik und Betriebsrätin sowie Vorsitzende der Vertrauensleute

Foto: Stephen Petrat

Luana, du bist erstmals in den Betriebsrat gewählt worden. Wie gehst du das neue Amt an?

Seit ungefähr vier Jahren bringe ich mich im Unternehmen ein und vertrete die Interessen anderer, weil ich weiß, wie wichtig das ist. Ich bin sehr gespannt, wie sich die Betriebsratsarbeit von meiner bisherigen Arbeit in der JAV unterscheidet. Mich motiviert es sehr, wenn meine Mitmenschen im Betrieb zufrieden mit meiner ehrenamtlichen Arbeit sind. Das bestärkt mich und macht mir Mut, mich mit meinen Stärken einzubringen. Und wenn man dann noch ein tolles Team an seiner Seite hat, macht es gleich noch mehr Spaß. Im Team lassen sich die Stärken viele einzelner zu einer Riesenpower verbinden Mir ist klar, dass ich noch vieles lernen muss, bin aber absolut bereit, mich für unsere Kolleginnen und Kollegen einzusetzen.

Was möchtest du als junge Neu-Betriebsrätin anders machen?

Zunächst einmal möchte ich etwas beibehalten: Unser altes Gremium ist immer als Team aufgetreten, und das hat mir gezeigt: Gemeinsam kann man alles schaffen. Sicher werden wir uns ändern müssen, das ist ja normal. Das ist auch keine Frage von Jung gegen Alt. In allen Bereichen des Lebens müssen wir mit der Zeit gehen, auch in der Mitbestimmung. Wir brauchen einen guten Mix aus Erfahrung und Engagement. Am meisten zählt im Gremium eine gute Zusammenarbeit und gegenseitiger Respekt – die Zahl, die im Pass beim Geburtsjahr steht, ist da unerheblich.

Was erwartest du dir von den kommenden vier Jahren?

Ich habe eine Erwartung an mich selbst, nämlich dass ich mir in den nächsten vier Jahren treu bleibe und mich so einbringe, dass es passt. Ich bin ein kritischer Mensch und hinterfrage sehr viel, und ich denke, dass mir das in der einen oder anderen Situation hilfreich sein kann. Konkrete Ziele habe ich noch keine. Mir ist wichtig, dass ich mir erstmal einen Eindruck von Betriebsrats-Arbeit mache. Ich bin sehr gespannt, was mich erwartet und wo meine Reise auch persönlich hingeht.


„Ohne Ehrenamt keine Mitbestimmung“

„Was viele Nutznießer eines vernünftigen Tarifvertrags gerne vergessen, ist, dass es ohne Ehrenamtliche auch keine Mitbestimmung geben kann. Wenn die Stimme der Beschäftigten im Betrieb gehört werden soll, müssen sich Menschen zur Wahl stellen – und dass möglichst aus jeder Altersgruppe, aus jedem Betriebsteil, völlig egal, ob Frau, Mann oder divers. Wir waren bei SasolWax lange Teil eines Milliardenkonzerns, gehören jetzt unter neuem Namen als Hywax aber zu einer italienischen Unternehmensgruppe in Privatbesitz. Das beschert uns als Betriebsrat mehr Aufmerksamkeit von den Eigentümern, und ich verspüre im Betrieb schon eine Art Aufbruchsstimmung. Ich freue mich auf einen intensiveren Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen, dem Betriebsrat, der IGBCE und auf die zahlreichen Seminarangebote. Ich möchte gerne die Kommunikation des Betriebsrates mit der Belegschaft fördern und die Interessen der Jugend stärker einbringen.“

Lennard Eschen (27), wohnt in Pinneberg, Industriemechaniker und Betriebsratsmitglied bei
Hywax in Hamburg

Foto: privat


„Diese Amtszeit wird intensiv“

Markus Abdalla (28), wohnt in Dormagen und ist Betriebsrat bei Covestro in Dormagen.

Foto: Stephen Petrat

Markus, du hast bei euren Wahlen als Neuling auf Anhieb die meisten Stimmen erhalten. Wie fühlt sich das an?

Das ist der Wahnsinn, ich bin immer noch geflashed von diesem Ergebnis. Wenn dir die Kolleginnen und Kollegen so viel Vertrauen aussprechen – das ist schon ein irres Gefühl. Es ist natürlich auch eine Verpflichtung. Jetzt muss ich beweisen, dass ich dieses Vertrauen verdient habe.

Was sind deine Ziele?

Ich will die Transformation, die Digitalisierung und den Generationswechsel begleiten und mitgestalten – nicht nur bei uns am Standort, sondern auch im Gesamtbetriebsrat. Ich gehe die Aufgabe mit einem hohen Maß an Loyalität gegenüber meinen Kolleginnen und Kollegen an. Sie brauchen eine starke Vertretung, und sie haben es verdient, dass ich mein volles Engagement einsetze.

Worauf freust du dich?

Ich bin sehr gespannt auf Gespräche mit der Arbeitgeberseite. Die Themen kompetent und politisch-strategisch angehen – dass ist sicherlich ein Schlüssel für erfolgreiche Verhandlungen mit dem Unternehmen. Ich bin sicher, dass ich hier die Unterstützung aller erfahrenen Betriebsrätinnen und Betriebsräte an den Standorten erhalte, wenn ich sie brauche. Lernen durch Tun – darum wird es jetzt gehen.

Was werden die wichtigen Themen der nächsten Zeit sein?

Wir haben zwei harte Jahre hinter uns. Erst die Pandemie, dann jetzt noch der Krieg in der Ukraine. Das stellt alle Kolleginnen und Kollegen und auch das Unternehmen vor große Herausforderungen. Zugleich hat die Transformation ja auch nicht aufgehört. Und dann gibt’s da noch Themen wie die Arbeitsverdichtung. All dem müssen wir im Gremium uns stellen. Ich bin zwar kein Wahrsager, aber wenn ich behaupte, dass diese Amtszeit intensiv wird, lehne ich mich sicherlich nicht zu weit aus dem Fenster. Aber darauf freue ich mich auch.